Isarbrücke Plattling
Isarbrücke Plattling © Häusler

"Das waren schlimme Monate für uns alle"

Pressebericht Deggendorfer Zeitung (pdf-Datei) 

Robert Wufka, Chef des Staatlichen Bauamts Passau,  spricht über den Stillstand an der Ortsumgehung – als damals keine Eisenflechter unter der brütenden Sonne schwitzten, sondern Rehe über die ruhende Baustelle ins benachbarte Gehölz huschten. Beim Baustellenrundgang mit der PZ erklärt er, welche Arbeiten heuer noch abgeschlossen werden sollen und gibt zu, dass die Mehrkosten noch nicht abschätzbar seien.

 „Die Erfüllung dieser Anforderungen und der Ausgleich der Interessen führten zu einer bislang bundesweit einmaligen Bauweise von höchster Komplexität.“ Dieses Zitat des Behördenleiters lesen die Plattlinger im April im Informationsheft des Bauamts. Einfach formuliert: So hat noch niemand in Deutschland eine Bogenbrücke gebaut. Robert Wufka spricht deswegen von einem „mutigen“ Vorhaben. Die Häme ob des Stillstands bricht über das Bauamt im Sommer 2017 herein, die Brücke wird mit dem Berliner Flughafen verglichen.

Nach dem fast ein Jahr anhaltenden Stillstand an der Isar haben die Betonbauer ihre Arbeiten nun wieder aufgenommen. Bei fast 30 Grad Celsius schuften Männer in orangefarbenen Warnwesten in einem drei Meter tiefen Loch. Sie flechten Eisen. „Ein Knochenjob“, sagt Robert Wufka und blickt auf die rödelnden Arbeiter. Sie bewehren das Fundament des „Kämpfers“ rechts der Isar. Dieser Fachbegriff aus der Baubranche beschreibt die Aufgabe dieses Monstrums aus Stahl und Beton anschaulich. Denn verliert das später im Boden verschwundene Bauwerk den Kampf gegen die wirkenden Kräfte einer Brücke, würde diese einstürzen.
Bei einer Länge von 29, einer Breite von 18 und einer Höhe von drei Metern ergibt sich für das Kämpferfundament ein Volumen von rund 1566 Kubikmetern, das die Arbeiter in diesen Tagen mit Stahl und Beton füllen. „Das wird noch Wochen dauern“, sagt der Leiter des Bauamts, in der Hoffnung, dass Hochwasserereignisse ausbleiben. Darunter verbergen sich Bohrpfähle, die acht Meter in die Tiefe gerammt worden sind. Das baugleiche Gegenstück befindet sich links der Isar. Das Gewicht der St.-Johann-Nepomuk-Brücke – so soll sie heißen – wird dem Plan zufolge 2020 über die Bogenkonstruktion abgeleitet auf diesen Kämpfern lasten.

In den Monaten August und September stehen weitere Aufgaben an. Das staatliche Bauamt kommt der Stadt Plattling wegen der zeitlichen Verzögerung entgegen, lässt die Straße von der neuen Bahnunterführung am Kreisverkehr an der B8 bis zur Vorlandbrücke bereits heuer asphaltieren. Damit werde der Anschluss zur Tierkörperbeseitigungsanlage vorzeitig geschaffen. Die Lastwagenfahrer müssen ihre Gefährte dann nicht mehr durch die enge Unterführung, die in Richtung Friedhof führt, zwängen. Außerdem erledigt sich in diesem Baujahr das Thema Absetzbecken der Zuckerfabrik, die links der Isar von Südzucker betrieben werden und teilweise verlegt oder neu gebaut worden sind.

„Der Straßenbau für den Bereich links der Isar ist bereits ausgeschrieben“, ergänzt Robert Wufka. Diese gedanklichen Sprünge von einer Uferseite zur anderen prägen den Bau. Von links und rechts erfolgen oft parallele Schritte, damit sich die Stahlbauer am Ende in der Mitte der Brücke und genau in der Mitte über der fließenden Isar treffen können.

Genau darin liegt die Krux. „Normal baut man eine Bogenbrücke anders“, holt Robert Wufka, ein Mann, dem Baustellen Spaß machen, solange kein Stillstand herrscht, aus. Ein „optisch einfaches Aussehen“ attestiert er der künftig 605 Meter langen Brücke, die den Plattlingern Verkehrslärm nehmen und Lebensqualität schenken soll. Dahinter stecken aber „hochkomplexe Berechnungen und Verfahren“. Üblicherweise würde man die Brücke neben dem tatsächlichen Standort errichten und dann einschwimmen. Die zweite Bauvariante: Man errichtet Hilfsstützen im Fluss, auf denen die Brücke entstehen kann.

Beide Bauweisen schieden für die Plattlinger Ortsumgehung aber wegen des Planfeststellungsverfahrens aus. Die Auflagen, teils naturschutzrechtlicher, teils wasserwirtschaftlicher Art, schreiben einen vergleichsweise engen Baukorridor – links und rechts vom Bauwerk nur je fünf Meter – vor und lassen den Eingriff in die Isar nicht zu. „Zum Beispiel wegen der Fließgeschwindigkeit“, verdeutlicht Robert Wufka mit einem Blick auf die kühle Isar, die an den schwitzenden Arbeitern in Richtung Donau vorbeirauscht.

Damit kommt’s zum schrittweisen, „mutigen Einheben“ der Brückenteile. Dafür benötigen die Stahlbauer Hilfspylonen. Das Bild von orange-weiß-gestreiften Hütchen, die ein Fußball-Trainer auf dem Rasen platziert, ist auf der Baustelle an der Isar völlig deplatziert. 41 Meter sollen die Pylonen, für die nochmals ein Fundament mit neun Bohrpfählen gegründet worden ist, gen Himmel ragen. Zumindest solange, bis die Brücke fertiggestellt wird – „spätestens 2020“, sagt Wufka. Bis Oktober diesen Jahres sollen die stützenden Pylonen stehen. „Ende des Jahres sollten die Betonbauer mit ihren Arbeiten vorerst fertig sein.“

Je milder der kommende Winter wird, umso problemfreier können die Stahlarbeiter dann zu Werke gehen und Längs- sowie Querträger der Fahrbahnplatte montieren. „Danach wird der Stahlbogen darauf aufliegend hergestellt“, sagt Robert Wufka, während er in einen Plan blickt, dessen Breite über die Spannweite seiner Arme reicht. Der letzte Schritt des Brückenbaus: die Demontage der Hilfspylonen, die bei interessierten Baustellenbeobachtern aufgrund ihrer enormen Höhe gewiss für Verunsicherung sorgen. Schließlich wird die Brücke nach ihrer Fertigstellung aber nicht einmal die Bäume der Auwälder überragen.

Bauverzögerungen sind gleichzusetzen mit steigenden Kosten. An dieser Gleichung setzt auch Robert Wufka nichts aus. Die Gesamtkosten beliefen sich – Stand vor dem Baustopp – auf rund 49 Millionen Euro, 23 Millionen Euro davon entfielen auf das „Herzstück der Ortsumgehung“, auf die Brücke. Wegen des Stillstandes habe die ausführende Arbeitsgemeinschaft – bestehend aus Berger Bau Passau und der Zwickauer Sonderstahlbau GmbH – zahlreiche Nachträge eingereicht. In Millionenhöhe? Nickend bestätigt der Leiter des staatlichen Bauamts die naheliegende Vermutung. Konkrete Zahlen lässt er sich nicht entlocken. Die Mehrkosten lassen sich seiner Meinung nach nicht schätzen, „das wäre ein Ratespiel“.

„Es wurden inzwischen externe Fachleute eingeschaltet, die sich damit beschäftigen“, erklärt er die weitere Vorgehensweise. Ziel ist es, mit den Unternehmen Kompromisse einzugehen. Ein ebenso naheliegender Gedanke: Wenn die Forderungen in Millionenhöhe liegen, werden sich die Mehrkosten auch mindestens im sechsstelligen Bereich bewegen, zumal die Gründe für die Nachträge nicht aus der Luft gegriffen seien.

Da zeigt Robert Wufka selbst Verständnis. Seiner Prognose zufolge werden sich Anwälte und Richter noch lange nach der Einweihungsfeier der St.-Johann-Nepomuk-Brücke damit beschäftigen, wer für die Mehrkosten am Ende aufkommt. „Die Einflüsse dafür sind vielschichtig: am Bau beteiligte Subunternehmen, steigende Materialpreise und so weiter.“ Das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr beschäftigt sich bereits mit der Ortsumgehung, das Bauamt stimmt sich mit seiner übergeordneten Behörde ab. Dass zwecks überbordender Kosten der Bau gar eingestellt werden könnte, kann sich Robert Wufka aber nicht vorstellen.

2021: Dem Bauzeitplan zufolge soll spätestens dann der Kreisverkehr an der Götz-Keller-Kreuzung und damit das absolut letzte Bauwerk der Plattlinger Ortsumgehung gebaut werden. Das trifft sich gut. Denn für dieses Jahr peilt Robert Wufka den Gang in den Ruhestand an. Und sollte die Amtsübergabe vor der offiziellen Einweihung stattfinden, „ich komme dann auch gerne in meiner Pension nach Plattling“.

Christoph Häusler